New Things - heute vor zwei Jahren
Es regnet in Strömen. Ich hocke zu Hause und meine Hoffnungen auf den Club der Visionäre schwinden. Ich rufe Vassil an, mit dem ich den Abend geplant hatte. „Bei dem Regen ist da niemand.“ murmelt er und so entschließe ich mich mürrisch dazu eine spontane Homeparty zu organisieren. Anruf Franzi.
Sie sind auf dem Weg ins Rechenzentrum, ein Club von dem mir schon einige Stunden vorher von zwei Klassenkameradinnen erzählt worden ist. Ein zweiter Call an Vassil und eine halbe Stunde später sind wir am Amtsgerichtsplatz. Bier holen, zum Zoo fahren. Von da nochmal eine halbe Stunde bis Ostkreuz, unsere Gespräche reichen von Bulgarien (seiner Heimat), Romänien, Deutschland, Mafia, Politik, Korruption zu geilen Locations und Clubs in die wir unbedingt mal reinmüssen.
Von Ostkreuz ruft Vassil Bibo an.
Wir holen mehr Bier und einen Döner für Franzi („Kräutersoße und keine Zwiebeln“), dann steigen wir in den kostenlosen Shuttle, der uns vorm Rechenzentrum absetzt. Bibo, Franzi, Sallinger, Tilla und andere warten schon.
Während Franzi ihren Döner isst, reicht mir Sallinger den Joint. Ich bin schon gut vom Mittag beim Karneval der Kulturen bedient und nehme nur ein paar Züge.
Die Schlange ist extrem lang. Hinter uns erzählen wir zwei Studenten, wir würden Philosophie und Mathe an der FU und TU studieren, worauf sie uns begeistert Zigarettten anbieten.
Auch die zwei Klassenkameradinnen vom Mittag stehen mit einigen Leuten in der Schlange.
Das wird geil, denke ich und fange an zu entspannen.
Beim Eingang werden Vassil und ich doch tatsächlich nach unseren Ausweisen gefragt, natürlich haben wir keine Chance. Sprüche wie „Müssen wir jetzt echt nochmal bis zum Auto laufen und die holen?“ sind zwecklos. Also wieder raus aus der Schlange.
„Wir kommen hier rein.“ sagt Vasill gelassen „so oder so“
Wir gehen um den Club rum. Das Gebiet hinter dem Rechenzentrum gehört Vattenfall.
Nach einer kleinen Diskussion, welchen Sinn das denn jetzt noch hat, überzeugt mich Vassil und wir stieigenen in feindliches Territorium.
„Wenn die hier Hunde haben, sind wir ziemlich am Arsch“ sagt Vassil und ich versuche es zu überhören. Wir sehen den Weg, rennen über eine Wiese und fühlen uns schon fast in Sicherheit, als ein Auto auf uns zufährt. „Scheiße!” murmelt Vassil und gehetzt suchen wir Deckung in den Büschen. Ein Mann steigt aus, lässt das Licht einer Taschenlampe über uns fahren, scheint uns nicht zu sehen, steigt wieder ein und fährt weiter.
Ungefähr fünf Minuten hocken wir halb geschockt, halb erregt im Grünen, bis Vassil mich auffordtert, nach ihm auf das dicke Rohr vor uns zu klettern. Von da steigen wir auf eine bestimmt 3 Meter hohe Mauer, den Stacheldraht ignorierend und springen aus dem Vattenfallgelände.
Von da an stüzt Vassil sich auf mich, tut auf krass besoffen und flüstert mir ins Ohr: „Wenn uns irgendwelche Türsteher fragen, sagen wir, wir hätten Sex in den Büschen gehabt... und Tony, lach bitte nicht.“
Wir stoßen auf zwei andere „Einbrecher“ und werden natürlich von Leuten aufgegabelt.
Zuerst wollten die uns zurück zum Rechenzentrum bringen, als wir ihnen jedoch keine Armbänder zeigen können, meinen sie: „Dann müssen wir wohl den anderen Weg gehen.“
Der Security Typ läuft vor uns her, Vassil packt mich am Arm und zieht mich vom Weg.
Um kurz vor zwölf springen wir über einen letzten Zaun und sind drin. Ohne zehn Euro Eintritt.
Es regnete schon ewig nicht mehr, wir sitzen uns auf eine Mauer um uns auszuruhen und Vassil erzählt mir harrsträubende Geschichten über seine Einbrüche in Schulkaffeterien mit Springseilen aus dem Sportuntericht und so weiteren Hilfsmitteln. Er erzählt von Beuten, die er gemacht und Opfer, die gebracht hat.
Dieser Abend ist schon zu diesem Zeitpunkt einer geilsten, die ich je hatte.
Wir betreten den Club und ein irres Gefühl packt mich und reißt mich mit.
Das ist Techno. Neu, aufregend, wild. Wahnsinn.
Der Schweiß fließt in Strömen.
Das Durchschnittsalter liegt bestimmt bei über 25 Jahren, aber das ist egal.
Wir treffen Leute wieder, wir trinken Wodka Cola, wir tanzen.
Irgendwann wird Vassilev müde, er brauche frische Luft. Also raus, wo wir feststellten, dass es auch draußen einen Dancefloor gibt. Kurz Gegend abchecken.
Vassil staunt auf einmal „Da ist Wasser.“ und ich lache „Alter, das ist die Spree, lass schwimmen gehen.“
Warm und geschmeidig fühlt sich das Wasser an, die Sorgen über Handy, Schlüssel, Geld in meiner Hosentasche war schon wieder vergessen.
Draußen beten wir die Leute, noch etwas länger zu warten und gehen mit Boxershorts auf dem Outsidedancefloor.
Wach, erfrischt und mehr oder weniger trocken stürzen wir nach dem Anziehen wieder in den Club und dancen oben ohne auf dem Podest. Geile Moves zu geilen Beats. Vassil lacht und kneift in meinen untrainierten Bauch. Ich ignoriere das und schnorre mir eine Zigarette bei irgendeinem Typen.
Die Djs sind keine Djs mehr. Es sind Götter und wir ihre Figuren. Wir brauchen nichts zu tun, alles macht der Körper alleine:
Jens Bond allmighty.
Der ganze Saal schreit, wenn der Bass wieder voll da ist. Es ist einfach alles so geil.
Vassil kauft Bier, ich Wodka, außerdem lade ich die Mädchen vom Mittag je auf ein Desperados ein. Für den Abend ist nichts zu teuer.
Die Shotgläser packen wir als Andenken ein.
Es ist nach sieben als wir den Club über ein anderes Privatgrundstück verlassen.
Der Shuttle fährt nicht mehr und auf die Tram müssten noch über eine Stunde warten, also laufen.
Wir treffen noch Leute auf dem Weg, labern viel Scheiße. Die Sonne geht auf und erste Strahlen tränken unsere schweißnassen T-Shirts.
Am Bahnhof kauft ich eine Flasche Wasser und wir trinken und trinken und trinken.
Als dann die Flasche leer ist und wir uns in die Bahn setzen grinst Vassil: „Man, wir können Spaß haben...“ ich betrachtete meine kaputten Füße, wir sind Barfuß gelaufen, und stimme zu: „Gehen wir nächste Woche in den Club der Visionäre?“ als ich meinen Kopf hebe, schläft er mit seinem typischen Smily-Lächeln und nur einem Schuh an den Füßen. S-Bahnhof Charlottenburg wecke ich den Seligen und wir torkeln nach Hause.
Scheiße wie geil. Neue Welt ich komme!
tonyc am 24. Mai 11
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