Freitag, 17. Juni 2011
Suicide Circus
"Dicker wie geil ist das denn? Ich hab den besten Kontakt für MDMA, Speed und Ketamin. Alter Bekannter! Heute Abend bekomm ich es. Fusion wird zugeballert!" lese ich auf meinem Handydisplay.
Es ist Donnerstag nachmittag und wiedermal habe ich mich entschieden, statt früh in der Schule zu sitzen, spät im Strandbad Mitte zu chillen, zu frühstücken, zu lesen, zu rauchen. Danach ziellos durch Mitte geschlendert, bis ich diese SMS bekomme. Ich ruf ihn an. "Na das sind doch mal gute Nachrichten was?" begrüßt mich Hannes und erzählt mir, von seinem Vorhaben heute den Stoff zu testen und dass ich eingeplant bin. Naja, morgen Schule und bis jetzt ganz konsequent eingehaltener Vorsatz gegenüber Drogen vor der Fusion. Was solls. Erst muss ich ihn aber noch von seinem scheiß Weekendtrip runterholen. Ich hab heute echt keinen Bock auf diese Nervpeople. Aufgetakelte Pseudoclubber.

Um kurz nach zwölf kommt er zu mir und erzählt, er habe gerade in der S Bahn voll die Eingebung gehabt. Wir sollten das Zeug nicht nehmen, weil er sonst befürchte, jetzt mit festem Dealerkontakt und keinem hemmendem Schuldruck mehr, völlig abzudriften. Außerdem könne er ja nicht verantworten, dass ich, sein bester Freund, bei meiner Attaxie mit ihm Drogen nehme. Angeblich habe er sogar meiner Mutter versprochen, mit mir nichts zu nehmen. Lachend lege ich Westbam auf und Hannes baut zwei MDMA-Bomben mit jeweils 1/4 Gramm. Nicht viel, aber es wird ja auch nur der Testflug. Es ist virtel nach eins und wir pilgern zum Suicide Circus. Schon beim Verlassen der S Bahn hören wir den Beat bammen. Heute Open Air, genau richtig.
Ich bin erst nochmal Geld abheben und beim Späti Kaugummis kaufen. Lollis gibts nicht. Hannes taut langsam auf und vorfreudig steigen wir die angebrachte Metalltreppe hinab. Entspannte 5 Euro Eintritt, dann auf den Dancefloor chillen. Abgehen ist was Anderes. Die Musik ist zu leise und die Leute zu laut. Also checken wir nochmal die anderen Revaler Läden ab. Im Cassiopeia kommt neuerdings immer so ein scheiß Dubstep und im Rosis ist heute Indiekram. Sonst nichts los. Also zurück zum Circus, erstmal aufs Klo Wasser trinken und Bomben schmeißen, dann dancen. Die Musik ist jetzt schonmal geiler. Ich geh nach vorne und der DJ erzählt mir, dass die Bullen "vor der Tür stehen" und er im Moment nicht lauter machen könne. Später vielleicht. Egal. Nice. 20 Minuten sind um und die erste Welle kommt. Augen zu, Kopf zur Seite und abheben. Geil man, das hab ich vermisst. Wir schieben uns ein Kaugummi zwischen die Zähne. Wrigleys Extra White. Ich panice voll rum, wegen dieser komischen Sandkörner in den Kaugummis, und heule, dass das mein Zahnschmelz sei. Eine Ewigkeit muss Hannes auf mich einreden, dass das doch dazugehört. Zahnplege und so.
Die Musik wird echt immer geiler und mittlerweile find ich auch die Mesnchen geil, die so geile Sachen in geilen Sprachen labern. Hannes ist auch schon gut dabei und ab halb drei haben wir beide die volle Breitseite. Wir gehen aufs Klo, Wasser trinken und jeder Schritt kommt soo leicht. "Ich schwebe" sagt Hannes, mehr zu sich selber, als zu mir. Mit Wonne gefüllt strahlen wir den ganzen Laden zu.
Das letzte mal nahmen wir MDMA beim Villaclosing, wo wir sehr viel mehr genommen haben und dieses schwummerige geile Gefühl noch extremer war, mir jedoch im Nachhinein auch kleine Depressionen bescherte. Damals sagte Hannes in völliger Druffheit "Weißt du Tony: LSD ist Futter für den Geist, doch MDMA ist Futter für die Seele." und ich ging in dieser formulierten Wahrheit auf, wie eine Blume in der Frühjahrssonne.
Wieder auf dem Dancefloor drängle ich mich unbewusst an einem kleineren Mädchen vorbei und sie muss mir etliche Male auf die Schulter hauen, bis ich sie wahrnehme und mich umdrehe. "Machst du das immer, dass du dich überall durchpöbelst und dich vor die Leute stellst?" Was? Hä? "Verzeihung." ist das einzige was ich in dieser Situation nuscheln kann. Ich komme voll nicht darauf klar und rufe ihr nach fünf Minuten zu: "Ey tut mir echt voll Leid man." Sie lächelt und weitere fünf Minuten später kommt sie zu mir und sagt: "Vielleicht mach ich aus solchen Kleinigkeiten manchmal zu große Sachen. Nimms mir nicht übel. Es war echt nicht schlimm." Ich nicke nur benommen, aber mein Herz jubiliert. Wie perfekt ist das denn? Oh mann.
Hannes keucht auf einmal und sagt: "Alter, ich komme gerade gar nicht mehr klar. Ich hol mal eine Club Mate." Dieser Szenedrink hat mir noch nie soo gut geschmeckt. Wir chillen uns auf eine Bank und Hannes atmet wieder durch. "Ah, das hab ich gebraucht." Sitzen ist echt sehr geil, auch wenn mein Kopf weitertanzt. Wir genießen die Zeit und der für unsere Trips typische Lobgesang auf das Leben und unsere Freundschaft beginnt. Alles ist geil, wir sind wunschlos glücklich, es ist so schön mit dem anderen hier zu sein, alles ist perfekt.
Dann wieder dancen. Die Musik ist so extrem geil und ich liebe die Lautstärke. Kurz unterhält sich Hannes mit so einem Typen, der einen ganzkörper Neoprenanzug anhat. Die Flasche geht verloren und ich kauf eine neue Mate. Wir dancen an der Bar. Alles geil. Dann wieder zu den Bänken. Ich stolpere über einen Stuhl und hätte mich fast mit der Mate voll auf die Fresse gelegt. Geil.
Die Wirkung ist gemütlich. Wir überlegen, ob wir noch ne Bombe nachwerfen, entscheiden uns dann aber dagegen. "Alter, für sowas ist die Fusion da!" Ok, mein Gott. Dann... dancen. Übergeil, auf einmal sehe ich auf der Tanze Axel und irgendein Mädchen, die ich beide noch am gleichen Tag an der Krummen Lanke getroffen habe. "Heeeey Axel, alles klar? Ist ja cool dich hier zu sehen." Wir umarmen uns und ich bin froh nicht mehr voll stralle zu sein. Nicht vor diesen alten Zehlendorfkindern. Auch wenn sie jetzt in Moabit wohnen und studieren, ist kiffen für sie noch die absolute Ausnahme und Grenze.
Hannes und ich dancen noch etwas, um halb sieben will er dann los. Ich schmatze und schlucke extrem, aber Zähneknirschen bleibt fast völlig aus. Guter Stoff.
Was für ein geiler entspannter Abend, man. Trotz des wenigen Geknirsches habe ich es, wie nach jedem Konsum, geschafft, mir im Schlaf auf die Zunge zu beißen. Diesmal aber nicht so doll.