Montag, 4. Juli 2011
Abgefused
Ich will gar nicht sagen, dass es scheiße war. Keinesfalls. Nur eben extrem abgefuckt.
Durchgehend Regen. So hart, dass ich, der natürlich nicht an warme oder regentaugliche Sachen gedacht hatte, mir bei Aldi neue Schuhe, Socken und Jacke kaufen musste.
Es fängt damit an, dass Daniel und Hannes es nicht auf die Reihe gekriegt haben an das versprochene Ketamin und MDMA zu kommen.
Abends um sieben sieht man Daniel und mich dann rumlaufen auf der Suche nach Drogen. Jemand bietet uns Pilze an, ich bin nicht ageneigt, aber Daniel. MDMAMDMAMDMAMDMA. Schließlich finden wir einen Proll und Daniel will sofort für 170 Lappen einkaufen. "Ist richtig gutes Zeug." Es war ein scheiß Kokscoctail. Wir haben diese Nacht zwar durchgefeiert, aber es war schon nicht so geil, wie wir es gewohnt sind.
Morgens um sieben sieht man Daniel und mich dann rumlaufen auf der Suche das Zeug wieder loszuwerden. Erfolglos. Wir werden von einem fertigen Typen auf ein wenig MDMA eingeladen, chillen uns dann ans Zelt und rauchen den ersten Joint. Dann den zweiten. Die andern stehen auch langsam auf und rauchen mit. Geiles Wetter ey! Wir sind alle ziemlich zermatscht und kiffen eigentlich nur. Nach dem sechsten mal kurz an die Turmbühne. Es nervt mich übertrieben, dass meine Leute immer planen, sich diese oder jene Künstler anzugucken. Die kennt sowieso fast niemand, Mann. Ich geh aufs Fusion, um rumzulaufen und zufällig in der Sonne zu sehen, was mir gefällt. Ich lerne eine reizende Frau kennen, die mir ganz begeistert ihre Essensmarken aus dem Backstagebereich gibt. Bindy und ich treffen die Australier aus dem Bus wieder, die aussehen wie Bret und Jemaine von Flight of the Conchords. Sie laden uns auf MDMA ein und natürlich nehme ich viel zu wenig. Kaum ein Effekt. Dancen ist langweilig. Eine halbe Stunde sitze ich auf irgendeiner Wiese, dann kaufe mir einen veganen Döner und flüchte vorm kommenden Regen ins Zelt. Daniel pennt schon. Ich lege mich hin und verpasse den einzigen Gig, der mir wichtig war. Beardy Man. Egal. Nächster Tag beginnt mit zwei Joints. Es regnet extrem und ganz allmählich kommt das Wasser durch die Nähte über den Mückenvorhang auf unsere Schlafsäcke. Alles ist nass und eklig. Eine kurze Regenpause nutzen wir, um pissen und danach dancen zu gehen. Da sehe ich einnen alten Schulfreund im T-Shirt weinend durch den Regen stapfen. Als ich ihn grüßen will, kommt er zu unserm Zelt. Er bettelt uns an, reinzudürfen, guckt rein und wankt dann mit den Worten "Nee doch nicht" weiter. Gruseliger Anblick. Wir gehen los und natürlich werden wir hart geduscht und setzen uns unters Luftschloss auf ein Sofa, um den nächsten zu rauchen. Ein wahnsinnig süßes Mädchen setzt sich neben mich. Philosophiestudentin aus Münster. Laura. Wieso finde ich Lauras immer so toll? Ihre erste Frage war „Sitzt ihr hier schon, oder noch?“ Ich kriege es wieder nicht auf die Reihe, sie nach unserem langen Gespräch übers Leben nach ihrer Nummer oder so zu fragen. Schade. Der Tag wird ansonsten hauptsächlich in Hanks Zelt verbracht mit sehr viel Gras. Extrem lustig alles. Wir chillen zum Trancefloor. Es ist irgendwie Abend, aber da sowieso der Himmel dunkel ist, fällt das nicht weiter auf. Alle meine Klamotten sind nass. Auf einmal laufen nur noch Hank, Bindy und ich rum, wärmen uns am Feuer auf, kaufen uns eine Falsche Holunderblütenwein und sehen unter dem Zelt der Dubstation einen wahnsinns Gig. Wie so ein Mönch hockt da ein Hippie und macht tiefste Geräusche mit dem Mund. Dazu elektronische Chillklänge. Über den Namen des Künstlers bin ich mir nicht sicher.
Nur noch Hank und ich chillen da auf dem schönen Strand unter dem Zelt bei geiler Musik. Draußen peitscht der Regen. Es blitzt. Wir schlafen ein bisschen. Ich rauche mit irgendwelchen Hippies noch einen Joint. Alles, nur nicht in mein versifftes Zelt zurück. So um sechs dancen wir noch etwas an der Turmbühne. Extrawelt ist schon vorbei. Dann wieder krasser Regen. Wir flüchten in die Datschke und das erste mal gehe ich extrem zu dem bei mir bisher so verpöhnten Drum'n'Base ab. Dann kommt der Matsch. Die Wege sind keine Wege mehr. Es sind dicke braune Sümpfe. Meine nasse Hose, meine nassen Schuhe, meine nasse Jacke. Alle werden obendrein noch schön angekackt von der Natur. Wir staksen über die Wiese und hin und wieder sehe ich echte Kacke zwischen den Zelten liegen.
Später gucke ich in mein Zelt, sehe Daniel zusammengekauert auf seiner nassen Isomatte, wie er irgendwas murmelt, lache, hebe meine durchtränkte aufblassbare Stoffmatratze auf, stelle sie zum Trocknen in den Regen und entscheide mich dann, in Hanks Zelt zu schlafen. Hart, kalt, aber trocken. Etwas wenigstens. Nach ein paar Stunden wache ich auf, merke dass ich auf meiner rechten Hand geschlafen habe und sie nicht mehr bewegen kann. Ich panike voll rum und massiere sie 10 Minuten aggresiv, bis ich wieder ein erstes Gefühl habe. Dann gehe ich in bunter Boxershorts barfuß durch den ganzen Scheiß mit den anderen was essen und tanzen. Auf dem Weg verliere ich sowohl Sonnenbrille als auch Zahnbürste. Wieder am Zelt bastel ich mir aus einer Mülltüte einen Rock und wir entscheiden das Festival zu verlassen. Ich packe mein Zelt in eine weitere Mülltüte. Spaziere schließlich mit Flip Flops, Mülltütenrock, meiner lila Aldiregenjacke, meiner richtigen schwarzen Tasche der Mülltütentasche und dem Schweiß und Dreck von 4 Tagen Fusion durch Szene-Mitte und genieße das Aufsehen, was ich erwecke. Gelächter und Schrecken. Als ich Breitbeinig in der S Bahn sitze, erlaubt sich doch tatsächlich so ein Anzugfritze unter meinen Rock zu schauen. Beine überschlagen und kurz überlegt, ob ich die Augen verdrehen und stöhnen sollte. Dabei grinse ich und er wird rot.