Freitag, 12. August 2011
Coffee and Cigarettes
Der Name ist Programm. Ich häng am Laptop von Benny in Gießen und lese die Mail einer Freundin. Coffee and Cigarettes. Während ich die 10. Gauloises quartze, tanzt er mit Tasse im Zimmer rum. Als er einen Blick auf die Mail erhascht, zeigt er mir ganz außer sich einen Clip auf Youtube, in dem Iggy Popp und Tom Waits in einem Cafe somewhere in California eine absurde, unsichere, aber verdammt coole Unterhaltung führen. Jim Jarmush, na klar, alles. "Wir müssen diesen Film jetzt gucken!" sage ich bestimmt und trinke meine Tasse aus. Das ist der perfekte Moment, Mann. Ich wollte den schon immer mal sehen und Benny hat von dem Film als ganzes noch nie gehört. Also keine Zeit wird verloren. Neue Kanne fertig gemacht, Laptop ans aufgeklappte Sofa gestellt Aschenbecher, Zigaretten, alles in Reichweite. Der Film, der schon etwas vorgeladen hatte, wird wieder mit dem Internet verbunden und play. Zwei Zigaretten, eine Tasse, verzweifeltes Gelächter, 20 Minuten und der Film hängt. Scheiße. Was jetzt? Benny lehnt sich vorne nach und ich komm nicht klar. Klappt nicht. Nach 20 Minuten allgemeiner Frustration, behinderter Poesie ("Warum nur?/Die Träne rinnt meine Wange hinab, fällt und wird zu einem Meer./Groß und stürmisch.") zu vielen Zigaretten und zu viel Kaffee, kommt Benny auf den genialen Gedanken diesen Wireless-USB-shit von Vodafone zu benutzen. Ok Internet, 24 Stunden, 4 Euro. Das muss jetzt sein. Zwischendurch rufen irgendwelche Leute an und kommen voll nicht drauf klar, in was für Delirien wir uns bereits befinden.
Es funktioniert wieder. Meine ganze Frustration ist wie weggeblasen und ich geh schon wieder ab zu diesen skurilen Gesprächen. Zwei Schwarze Jugendliche sagen sie seien Zwillinge. Endlich können wir diese Szene zu Ende sehen. Noch eine. Noch eine. Ein Mann würfelt. Zweier Pasch. Er würfelt noch mal. Sechser Pasch. Er hebt seinen Kopf. Trinkt Kaffee und - es hängt. "Das Internet Limit wurde erreicht." So ein Wichser!
Ok was jetzt? Benny bekommt den genialen Einfall zur Videothek ein paar Käffer weiter zu fahren und danach bei einem seiner Kumpel den Film auf einem großen Screen zu sehen. Ja, warum nicht? Also Kanne und Zucker auf den Schoß. 70th Shit aufgedreht und ab gehts die Autobahnen runter. Meine wievielte ist das? 20? Es ist nicht mal mittag.
Die Videothek betreten wir über den Hintereingang. Die größten Pornowände meines Lebens begrüßen mich. "Ich wusste doch, dass ihr Provinzkinder die aller Krassesten seid." lache ich. Natürlich haben sie den Film nicht. Sogar Jim Jarmush müssen diese Vorstädtler in den Computer eingeben, um zu wissen, wie man klarkommt. Schimpfend über so viele Dickheit und so geringes Filmreportoire ohne Nacktheit, verlassen wir den Laden wieder durch die Pornoabteilung. "Ja wir müssen jetzt trotzdem erstmal zu Pete... scheiße" Also zu Pete. Dicker Typ, dicker Fernsehr, dicke Mutter, 5 Konsolen. Es riecht nach Hoffnungslosigkeit. Ich muss hier weg. Soziales Elend in solchem Ausmaß ist zuviel für mich. Kein Kaffee mehr und keine Zigaretten. Als Pete davon erzählt, dass er vor einer Woche eine "Tussi" in Bayern besucht hat und dann noch lachend "Nichts festes. Nur ein bisschen chacka chacka." dazukackt, hau ich ab. Wohin? Erstmal aufs Klo. Als ich zurückkomme, dickt mich seine Mutter an. "Nicht Händewaschen, na das ham wa gerne." Alte, wasch du dir erstmal die Scheiße aus dem Leben.
Ok ich zieh Benny aus dem Loch, wir sitzen wieder mit Kanne im Auto und fahren. Ahh... aber ich spüre meinen Schwanz nicht mehr. Er fühlt sich an wie ein hängendes Stück Fleisch, was nicht zu meinem Körper gehört. Verzweifelt lehne ich mich zurück und versuche irgendwie klarzukommen.
Dann bei Lotte in der Wohnung. Wir chillen und gucken uns die Bilder aus der Bonner Club 99 WG an. Ich bin am wenigsten beeindruckt. Habe andere Probleme. Wir gucken den Film zuende, aber ich kann mich kaum noch konzentrieren. Hibbel nur rum. Andauernd schlafen Hände und Füße ein. Atemprobleme. Ich geh aufs Klo und versuch zu wichsen. No chance. Scheiße.
Natürlich panice ich voll rum und Lotte bietet mir was zu Essen an. Ich entscheide noch diese Nacht nach Berlin fahren zu müssen und mich am nächsten Tag auf Blutarmut checken zu lassen. Was für ein Scheiß.
Als wir am Bahnhof in einer Kneipe sitzen und ich nur teilnahmslos in meinen Cranburrysaft starre, stelle ich fest, dass die Idee hirnrissig ist und ich doch erst am nächsten Tag fahren sollte.
Wieder bei Benny trink ich die halbe Tasse leer und leg mich hin.
Manmanman, ich liebe diesen ganzen Abfuck. Oder nennen wir es Verwegenheit. Haha.



Die Heimkehr
Zerfressen von Nikotin und Teer,
hängt dir der Kaffee noch immer schwer im Magen.
Vergessen will man fast sagen, ist der ganze Spaß, den man hatte über Tage, über Wochen.
Die Überbleibsel von dem ganzen Fraß hängen dir noch in den Knochen und zaubern dir ein müdes Funkeln in den Kopf.

"Es war schön.", wagst du zu erinnern,
doch in der Ferne siehst du schon die Heimat schimmern.
Zuhause. Alltag. Trist.
Das sind Worte, die man doch sehr schnell vergisst,
draußen in der wilden Welt.
Schließlich aber sind sie da, nachdem dich die Droge küsst,
was dich auffängt, was dich hält.