Freitag, 19. August 2011
Vacuite Prodigue
Ich steige die Treppen des U Bahnhofes hinauf. Sehr viele Leute. Vielleicht zu viele. Das lärmende Geräusch der Stimmen, der Schritte, der Autos, der einfahrenden U Bahn lassen meinen Schritt beflügeln. Das berauschende Gefühl, welches mich durchfließt, lässt mich alles umher vergessen. Die Treppe scheint endlos zu sein und die Menschen scheinen immer neu aufzutauchen. Verrückt. Dann verliere ich meinen linken Flip Flop und falle auf die Stufen. Über mir höre ich das dumpf verschleiertes Lachen einer Frau. Ich stehe langsam auf und sehe, dass ich angekommen bin. Direkt vor mir ist die Straße, auf denen Menschen gehen und Autos fahren. Hinter mir ist ein schir endlos scheinendes Loch, welches Menschen verschluckt, oder ausspuckt. Aus den Tiefen, der Dunkelheit. Die Frau steht immer noch da und lacht lautstark über mein Versagen. Ich betrachte sie interessiert. Aber ihre Kleidung kann ich nicht erkennen.
Dann greife ich meinen anderen Flip Flop und klatsch ihn ihr liebevoll an die Wange. Das muss sein, denke ich. Das ist richtig. Ihre High-Heels brechen und sie fällt nach hinten auf den Rücken. Alle anderen Menschen sind auf einmal weg. Sie liegt da bewegungslos und ich überlege angestrengt, ob ich mich deswegen schlecht fühlen sollte. Ich gucke zum Loch hinab und suche mit den Augen meinen verlorenen Flip Flop. Er ist wohl nicht mehr da. Ich seufze und mit dem folgendem Atemzug fühle ich einen ganzen Sturm in meiner Lunge. Jaah, denke ich. Gehe einige Schritte vorwärts und lasse meinen anderen Flip Flop fallen. Barfuß wandele ich weiter die Straße entlang. Doch eigentlich ist es keine Straße mehr. Oder? Der Boden ist eben. Schimmert beige. Niemand anderes ist mehr da. Ich drehe mich um. Doch. Die Frau ist noch da. Sie sitzt die Beine mit den Armen umschlungen auf dem Boden und weint. Und ist nackt. Schön, denke ich. Schön. Einige Meter vor ihr liegt mein anderer Flip Flop. Ansonsten ist alles leer. Nicht mal die Häuser stehen noch. Alles ist eine beige nicht enden wollende Welt von hellem Licht durchflutet nur mit mir stehend und staunend, der sitzenden nackten Frau, die weint und dem umgedrehten Flip Flop, der wie eine Grenze zwischen uns liegt. Ich höre ihr Weinen in Wellen. Teilweise habe ich das Gefühl, sie weint in mein Ohr. Dann ist es leise. Verstummt fast.
Es mag ein Gefühl der Hilflosigkeit sein, was mich befällt. Ich höre mein Herz schlagen. Bum-bum. Bum-bum. Dann wird die Frau unscharf. Das schlagen meines Herzens wird schneller und lauter. Ich schmecke Salz auf meinen Lippen, kann mich jedoch nicht rühren, um es zu befühlen. Eine große schwarze Raubkatze kommt von rechts auf die weinende Frau zu. Beißt ihr in die Brust und schleift sie mit sich. Der leuchtende Boden absorbiert das fließende Blut und dann ist sie vollends von der Bildfläche verschwunden. Samt Tier. Nur die Erinnerung ist noch da. Und der Flip Flop. Ich blinzle und wische mir freudig übers Gesicht. Es ist etwas nass. Der Flip Flop liegt da. Ein Halt. Eine Basis. Ein warmes Gefühl. Ganz langsam nähere ich mich ihm. Setze mich zu ihm und betrachte ihn. Auch er scheint zu schimmern. Doch als ich nach ihm greife, greife ich ins Leere. Er ist nur ein Bild. Eine Erinnerung. Das wird mir klar und ich weine bitterlich. Ich suche mit den Händen nach ihm. Taste den Boden ab. Was ist das für ein Boden? Ist es nur Licht? Befinde ich mich auf einer großen Wand aus Licht? Das Bild von dem Flip Flop verblasst. Ist dann vollends verschwunden. Ich lege mich auf den Rücken und schließe die Augen. Zeit, denke ich. Gibt es sie noch?
Ich öffne die Augen und nichts ist mehr da. Der Boden ist weg. Ich liege in der Luft unendlicher Weite. Kann mich nicht bewegen und stöhne im innern vor Glück. Sobald der Ton in mir erloschen ist, falle ich. Ein irres Gefühl. Ich falle schnell und frei. Von nirgends nach nirgends.
Das Licht scheint sich zu verdunkeln. Der Fall durch die Leere scheint endlos. Dann ein letzter Schein. Völlige Dunkelheit. Mein Flug endet abrupt.