Montag, 4. Juli 2011
Abgefused
Ich will gar nicht sagen, dass es scheiße war. Keinesfalls. Nur eben extrem abgefuckt.
Durchgehend Regen. So hart, dass ich, der natürlich nicht an warme oder regentaugliche Sachen gedacht hatte, mir bei Aldi neue Schuhe, Socken und Jacke kaufen musste.
Es fängt damit an, dass Daniel und Hannes es nicht auf die Reihe gekriegt haben an das versprochene Ketamin und MDMA zu kommen.
Abends um sieben sieht man Daniel und mich dann rumlaufen auf der Suche nach Drogen. Jemand bietet uns Pilze an, ich bin nicht ageneigt, aber Daniel. MDMAMDMAMDMAMDMA. Schließlich finden wir einen Proll und Daniel will sofort für 170 Lappen einkaufen. "Ist richtig gutes Zeug." Es war ein scheiß Kokscoctail. Wir haben diese Nacht zwar durchgefeiert, aber es war schon nicht so geil, wie wir es gewohnt sind.
Morgens um sieben sieht man Daniel und mich dann rumlaufen auf der Suche das Zeug wieder loszuwerden. Erfolglos. Wir werden von einem fertigen Typen auf ein wenig MDMA eingeladen, chillen uns dann ans Zelt und rauchen den ersten Joint. Dann den zweiten. Die andern stehen auch langsam auf und rauchen mit. Geiles Wetter ey! Wir sind alle ziemlich zermatscht und kiffen eigentlich nur. Nach dem sechsten mal kurz an die Turmbühne. Es nervt mich übertrieben, dass meine Leute immer planen, sich diese oder jene Künstler anzugucken. Die kennt sowieso fast niemand, Mann. Ich geh aufs Fusion, um rumzulaufen und zufällig in der Sonne zu sehen, was mir gefällt. Ich lerne eine reizende Frau kennen, die mir ganz begeistert ihre Essensmarken aus dem Backstagebereich gibt. Bindy und ich treffen die Australier aus dem Bus wieder, die aussehen wie Bret und Jemaine von Flight of the Conchords. Sie laden uns auf MDMA ein und natürlich nehme ich viel zu wenig. Kaum ein Effekt. Dancen ist langweilig. Eine halbe Stunde sitze ich auf irgendeiner Wiese, dann kaufe mir einen veganen Döner und flüchte vorm kommenden Regen ins Zelt. Daniel pennt schon. Ich lege mich hin und verpasse den einzigen Gig, der mir wichtig war. Beardy Man. Egal. Nächster Tag beginnt mit zwei Joints. Es regnet extrem und ganz allmählich kommt das Wasser durch die Nähte über den Mückenvorhang auf unsere Schlafsäcke. Alles ist nass und eklig. Eine kurze Regenpause nutzen wir, um pissen und danach dancen zu gehen. Da sehe ich einnen alten Schulfreund im T-Shirt weinend durch den Regen stapfen. Als ich ihn grüßen will, kommt er zu unserm Zelt. Er bettelt uns an, reinzudürfen, guckt rein und wankt dann mit den Worten "Nee doch nicht" weiter. Gruseliger Anblick. Wir gehen los und natürlich werden wir hart geduscht und setzen uns unters Luftschloss auf ein Sofa, um den nächsten zu rauchen. Ein wahnsinnig süßes Mädchen setzt sich neben mich. Philosophiestudentin aus Münster. Laura. Wieso finde ich Lauras immer so toll? Ihre erste Frage war „Sitzt ihr hier schon, oder noch?“ Ich kriege es wieder nicht auf die Reihe, sie nach unserem langen Gespräch übers Leben nach ihrer Nummer oder so zu fragen. Schade. Der Tag wird ansonsten hauptsächlich in Hanks Zelt verbracht mit sehr viel Gras. Extrem lustig alles. Wir chillen zum Trancefloor. Es ist irgendwie Abend, aber da sowieso der Himmel dunkel ist, fällt das nicht weiter auf. Alle meine Klamotten sind nass. Auf einmal laufen nur noch Hank, Bindy und ich rum, wärmen uns am Feuer auf, kaufen uns eine Falsche Holunderblütenwein und sehen unter dem Zelt der Dubstation einen wahnsinns Gig. Wie so ein Mönch hockt da ein Hippie und macht tiefste Geräusche mit dem Mund. Dazu elektronische Chillklänge. Über den Namen des Künstlers bin ich mir nicht sicher.
Nur noch Hank und ich chillen da auf dem schönen Strand unter dem Zelt bei geiler Musik. Draußen peitscht der Regen. Es blitzt. Wir schlafen ein bisschen. Ich rauche mit irgendwelchen Hippies noch einen Joint. Alles, nur nicht in mein versifftes Zelt zurück. So um sechs dancen wir noch etwas an der Turmbühne. Extrawelt ist schon vorbei. Dann wieder krasser Regen. Wir flüchten in die Datschke und das erste mal gehe ich extrem zu dem bei mir bisher so verpöhnten Drum'n'Base ab. Dann kommt der Matsch. Die Wege sind keine Wege mehr. Es sind dicke braune Sümpfe. Meine nasse Hose, meine nassen Schuhe, meine nasse Jacke. Alle werden obendrein noch schön angekackt von der Natur. Wir staksen über die Wiese und hin und wieder sehe ich echte Kacke zwischen den Zelten liegen.
Später gucke ich in mein Zelt, sehe Daniel zusammengekauert auf seiner nassen Isomatte, wie er irgendwas murmelt, lache, hebe meine durchtränkte aufblassbare Stoffmatratze auf, stelle sie zum Trocknen in den Regen und entscheide mich dann, in Hanks Zelt zu schlafen. Hart, kalt, aber trocken. Etwas wenigstens. Nach ein paar Stunden wache ich auf, merke dass ich auf meiner rechten Hand geschlafen habe und sie nicht mehr bewegen kann. Ich panike voll rum und massiere sie 10 Minuten aggresiv, bis ich wieder ein erstes Gefühl habe. Dann gehe ich in bunter Boxershorts barfuß durch den ganzen Scheiß mit den anderen was essen und tanzen. Auf dem Weg verliere ich sowohl Sonnenbrille als auch Zahnbürste. Wieder am Zelt bastel ich mir aus einer Mülltüte einen Rock und wir entscheiden das Festival zu verlassen. Ich packe mein Zelt in eine weitere Mülltüte. Spaziere schließlich mit Flip Flops, Mülltütenrock, meiner lila Aldiregenjacke, meiner richtigen schwarzen Tasche der Mülltütentasche und dem Schweiß und Dreck von 4 Tagen Fusion durch Szene-Mitte und genieße das Aufsehen, was ich erwecke. Gelächter und Schrecken. Als ich Breitbeinig in der S Bahn sitze, erlaubt sich doch tatsächlich so ein Anzugfritze unter meinen Rock zu schauen. Beine überschlagen und kurz überlegt, ob ich die Augen verdrehen und stöhnen sollte. Dabei grinse ich und er wird rot.



Mittwoch, 29. Juni 2011
Rising
Ein Jahr ist her. Meine große Deppression und Verwirrung. Elfte Klasse tat ich nichts, im ersten Halbjahr. Niemand tat was. Das war dann der Grund, warum meine Mutter mich überredete nach England zu gehen. Auf einem Internat mein Glück zu finden und da dann auch die letzten zwei Schulahre zu verbringen.
England machte mich unglücklich. Ich wollte da nicht bleiben und meine alte Schule wollte mich nicht zurück. Ich hing in einem völlig leeren Raum und wusste nichts mit mir anzufangen.

Hier ein unveröffentlichter Text von mir aus der Zeit:


„Everything Continues, 25. Mai 2010

Ohne Sinn und Zweck plätschert mein Leben vor sich hin. Everything contiues.
Ich ziehe meine einzige Freude aus Gras und Techno. Angst vor der Zukunft und der Gegenward. Vor mir selber und allem anderen. Ich schreibe, ich mache Musik, ich schlafe. Alles für die Katz. Es bedeutet mir nichts, wie mir nichts etwas bedeutet. Froh wenn ich den Abend mit Clubs und Drogen verplant habe und ansonsten wie gelähmt. Warum mach ich das hier alles? Alles ist viel zu viel und doch ist es nichts. Meine Gedanken verlieren sich im Beat und ich bin berauscht, ich küsse fremde Mädchen und bin doch allein. Da und hier bin ich, doch ich bin es nicht.
Pubertäre Zerstörungsgedanken? Werde ich nie erwachsen? Will ich es überhaupt? Wer weiß?
Der Druck über mir wird größer und größer und alles was ich tue verschlimert es. Was mache ich falsch? Was mache ich richtig? Mache ich überhaupt irgendwas richtig?
Und dann wieder Gras und Wonne. Wenigstens für einen Moment.
Ich tanze mein Blut aus meinem Körper und schwinge in eine Richtung, die mir fremd ist. Und doch...
Wieder Verzweiflung. Ich wünsche mir, dass das Flugzeug, in dem ich sitze, abstürzt. Dann fliegt es nicht mehr, ich sitze wieder zuhause und rauche meine tausendste letzte Zigarette.
Ein auf und ab, ein kommen und gehen. Und Angst. Alles von vorne und wieder und wieder. Ich liege im Bett und hoffe, nicht mehr aufzuwachen, sterbe in meinen Träumen und liege im Schweiß.
Minimalistische Beats schlagen auf meinen Kopf und dringen in meinen Körper. Ich sehe Licht und bin wieder da. Und wieder weg.
Alles eine einzige Wiederholung. Kurze Sätze zersetzen mein Leben. Sie werden zu einem Wort, was ich nicht kenne und vielleicht nie kennenlerne.
Aua, Schmerz, meine rechte Hand wird zum Karrusel und kurz glaube ich, Epileptiker zu sein. Dann denke ich an meinen Bruder und fühle mich noch schlechter. Aua.
Alles was ich sein könnte. Halbe Sätze. Ohne Sinn. Ich schlafe und tanze.
Ein Mojito versüßt mir das Leben und ich genieße jeden Schluck. Ich lerne Fronzosen kennen. Engländer, Holländer, und Australier. Ich lache viel. Viel zu viel.
Wellen.

Da drehe ich mich im Kreis und suche mit geschlossenen Augen. Was? Das, was kommt ist ein reinster Kreis. Ich sitze auf dem Boden und alles dreht sich, wird zweidimensional und verschwindet dann vollends. Mein Kopf wird größer und größer und leerer und leerer. Meine Ansprüche sind groß und klein. Ahhhhhhhhhh.
Und ich sitze wieder. Ich ich ich. Ich denke an andere. Gebe einem Penner, der durch die U Bahn geht, zwei Euro und fühle mich trotzdem scheiße. Einer alten Dame biete ich meinen Platz an, doch ihr Lächeln kann mir nicht helfen. Austeigen, auf eine Bank setzen, Kopf in den Händen verbergen, nicht weinen. Doch. Ein bisschen. Zuhausezuhausezuhausezuhausezuhause...
Durch die Straßen rennen und letztes Geld für einen Döner ausgeben. Dann wieder im eigenen Zimmer. Mit voller Wucht renne ich mit dem Kopf gegen die Wand, um danach winselnd auf dem Boden zu liegen. Hoffentlich habe ich damit die Nachbarn nicht geweckt.
Es hat keinen Sinn.

Die Tage zerreißen mich. Zu viel Zeit und doch zu wenig. Es hilft alles nichts. Ich lasse einen Liter Wasser ohne Stopp in mich hineinfließen und wünsche mir, einer dieser Tropfen zu sein. Rede mit meiner Mutter. Meinem Vater. Meinen Freunden. Trinke Bier.
Alles ist da und ich kann nicht entkommen.“


Meinen 18. Geburtstag wollte ich mit Hannes auf der Fusion verbringen. Das erste mal Drogen Festival. Geil. Viel zu teuer kauften wir kurz vorher zwei Tickets, ich verließ England frühzeitig und wir fuhren hin. Nach drei Nächten und dem krassesten Erlebnis meines Lebens verließen wir das Festival und ich feierte meinen Geburtstag doch zu Hause. Ich war angenommen an dieser privaten Wirtschaftsschule. Ich hatte das Ziel nach der Schule in New York Creative Writing zu studieren. Ich hatte wieder Halt. Mein erstes Drogenjahr begann. Außer LSD kamen noch Hawaianische Holzrose, MDMA und Speed dazu.
Heute fahre ich auf die Fusion 2011. Es werden noch mehr Leute da sein, dich kenne. Aber das ist egal. Schon jetzt spüre ich dieses unglaubliche Gefühl der Zusammengehörigkeit.
Alles zwischen Liebe, Drogen und Techno.



Montag, 27. Juni 2011
Tageslaune
Nach etlichen Vergessens meines eigenen Geburtstages und dem peinlichen "Oh, äh, mein Geburtstag, stimmt... Keine Ahnung", entschloss ich mich eine spontane Party am Junfernheidesee zu machen. Daraus wurde nur ein kleiner Kreis von 12 Leuten, aber das war glaube ich noch viel schöner, als großes und unpersöhnliches Feiern. Ich lag am Strand und guckte in den Nachthimmel mit den leuchtend weißen Wolken und ganz gemächlich stieg auch mein Rauch auf um sich mit den großen zu vereinen. Es war hell und schön. Aus Ollis Handy hörten wir Format B und saßen ums Lagerfeuer, bis wir die letzte Bahn nach Hause nahmen. Irgendwann war ich am Gesundbrunnen. Nichts fuhr mehr und ich dachte, noch besser. Laufen. So wankte ich mit dem Rotkäppchensekt, den mir eine Freundin geschenkt hat, die Brunnenstraße runter, sang etwas vor mich hin und genoß die schöne warme Sommerluft. Jetzt bin ich 19, dachte ich. Irgendwie schön, ob man das wohl sieht? Ich fragte willkürlich Leute, wie alt ich wohl bin. Einen zuckenden Junky an der U Bahn Bernauer Straße, spanische Touristen, verirrte Rentner. Schließlich einen Mann mit Fahrrad und eine Freundin von ihm.

Genau vor einem Jahr habe ich vorm SO36 eine Transe getroffen, die mit am gleichen Tag Geburtstag hatte, nur 20 Jahre früher. Dieses Jahr traf ich, diesen Künstler, der mit mir am gleichen Tag Geburtstag hat. Er war wie ich, nur 20 Jahre älter. Er schreibt, und malt, und lebt in den Tag hinein. Wie es der Zufall will, waren wir sogar in Hamburg auf der selben Grundschule.
Solche Zufälle versüßen mir den Alltag. Es ist nicht so, dass ich wirklich an Schicksal glaube, aber manchmal ist doch alles zu perfekt. Zu inszeniert. Geburtstag haben ist für mich nicht mehr so besonders, aber irgendwie doch schön. Auf eine entspannte Art und Weise.



Mittwoch, 22. Juni 2011
Fete de la musique
Völlig besoffen renne ich über den Mauerpark. Geil. Fete de la Musique.
Nette Menschen überall. Viele jünger als ich. Von einem Mädchen wird mir eine blaue Sonnenbrille aufgesetzt. Ich lerne 15-jährige Hippsters kennen, die mir eine Rockversion von Moneyboy vorspielen. Hannes und ich überlegen, wie wir sie auf die Bühne bekommen, „Das ist das, was die Leute hören wollen!“, scheitern aber und gehen auf ein random Elektro Open Air. Ich treffe ein Mädchen, für das ich mal einen Song geschrieben habe. Gestern habe ich mich das erste mal seit Ewigkeiten mit ihr über Face Book unterhalten. Ich erkenne sie nicht und sie heult voll rum. Beim Dancen sehe ich diesen Typen „Hey dich kenn ich man... Micha, oder? Wir haben uns im Dezember bei Jake the Rapper im MIKZ gesehen!“ voll der emotionale Moment. Wir reden und er haut wieder rein. Egal. Ich rauche. Irgendjemand hat mir einen Sticker mit "Abriss Techno" auf den Arm geklebt.
Dann sitze ich wieder auf meinem Fahrrad, schaffe es sogar bis nach Hause, ohne umzukippen. Haha. Kakao. Alter und jetzt noch Brückenparty an der Revaler.
Morgen Pressekonferenz um 12 im Gravis über Schachboxen. Ich liebe mein Leben.



Sonntag, 19. Juni 2011
Cold Mirror
Gestern ist ein Junge im Lietzensee ertrunken. Unwesentlich jünger als ich. Drei vier Jahre vielleicht.
Da ich relaxen will nach dem Suicide Circus auch irgendwie nichts großes ansteht, beschließe ich zu Hause im Westen bei meiner Mutter zu übernachten. So elf Stunden Schlaf tun doch alle paar Wochen mal ganz gut. Ich treff mich mit zwei Mädchen aus meinem alten, halb vergessenen Leben aus Charlottenburg, gehe relativ früh schlafen und stehe relativ spät auf. Ganz entspannt frühstücken (seit Tagen endlich mal wieder), dann am Computer und vorm Fernseher chillen. Beim Essen habe ich zwei Jugendliche im See baden sehen. Auf einmal kommt meine Mutter ins Wohnzimmer und sagt: „Ein Junge ist ertrunken.“ Erschrocken gehe ich auf den Balkon und sehe das Mädchen weinend am Ufer stehen. Feuerwehr, Taucher, Bote sind alle schon zu Gange. Ein paar Sensationsgeile Gaffer auch. Die Minuten verstreichen genauso wie dieses Leben. Es vergeht bestimmt eine viertel Stunde, bis ein Taucher den dunkelhäutigen großen Körper eines Jugendlichen an Land zieht. Sofort beginnen die Wiederbelebungsmaßnahmen. „Selbst wenn er überlebt, wird er nie wieder aufstehen können.“ sagt meine Mutter trocken und mir wird klar, dass das alles für sie noch viel härter sein muss, als für mich.

Nachdem mich 2001 ein Auto angefahren hat und ich zehn Meter durch die Luft mit dem Kopf auf einen Bordstein flog, lag ich genauso da. Tod und doch noch lebendig. Drei Wochen Koma. Alles neu lernen. Sitzen, sprechen, schlucken. Ein halbes Jahr Rehabilitationsklinik. Tausende Prognosen, wie „mehr als Behindertenschule ist da wohl nicht drin.“. Ich überlebte den ersten Abend, der allesentscheidend war und eine durch jahrelange Therapie gewonnene Besserung nahm ihren Lauf.
Jetzt steh ich hier. Scheiß Zittern in der rechten Hand. Leichter Tremor und Attaxie. Ich werde nie wieder Gitarre oder Klavier spielen können. Meine Schlagzeugkünste sind mehr als begrenzt. Ich muss nette Mädchen bitten, mir mein Steak zu schneiden.
Aber hey, ich hab überlebt. Ich habe gegen alle Prognosen ein richtig geiles Leben. Ich hatte Glück. Der Junge, der wahrscheinlich von diesem Steg einen Köpper in das viel zu niedrige Wasser gemacht hat, weniger.

Ganz langsam verschwindet der Krankenwagen in der nächsten Biegung. Ohne Blaulicht. Die Entscheidung ist wahrscheinlich schon getroffen worden.
Das Leben ist manchmal echt hart.



Freitag, 17. Juni 2011
Suicide Circus
"Dicker wie geil ist das denn? Ich hab den besten Kontakt für MDMA, Speed und Ketamin. Alter Bekannter! Heute Abend bekomm ich es. Fusion wird zugeballert!" lese ich auf meinem Handydisplay.
Es ist Donnerstag nachmittag und wiedermal habe ich mich entschieden, statt früh in der Schule zu sitzen, spät im Strandbad Mitte zu chillen, zu frühstücken, zu lesen, zu rauchen. Danach ziellos durch Mitte geschlendert, bis ich diese SMS bekomme. Ich ruf ihn an. "Na das sind doch mal gute Nachrichten was?" begrüßt mich Hannes und erzählt mir, von seinem Vorhaben heute den Stoff zu testen und dass ich eingeplant bin. Naja, morgen Schule und bis jetzt ganz konsequent eingehaltener Vorsatz gegenüber Drogen vor der Fusion. Was solls. Erst muss ich ihn aber noch von seinem scheiß Weekendtrip runterholen. Ich hab heute echt keinen Bock auf diese Nervpeople. Aufgetakelte Pseudoclubber.

Um kurz nach zwölf kommt er zu mir und erzählt, er habe gerade in der S Bahn voll die Eingebung gehabt. Wir sollten das Zeug nicht nehmen, weil er sonst befürchte, jetzt mit festem Dealerkontakt und keinem hemmendem Schuldruck mehr, völlig abzudriften. Außerdem könne er ja nicht verantworten, dass ich, sein bester Freund, bei meiner Attaxie mit ihm Drogen nehme. Angeblich habe er sogar meiner Mutter versprochen, mit mir nichts zu nehmen. Lachend lege ich Westbam auf und Hannes baut zwei MDMA-Bomben mit jeweils 1/4 Gramm. Nicht viel, aber es wird ja auch nur der Testflug. Es ist virtel nach eins und wir pilgern zum Suicide Circus. Schon beim Verlassen der S Bahn hören wir den Beat bammen. Heute Open Air, genau richtig.
Ich bin erst nochmal Geld abheben und beim Späti Kaugummis kaufen. Lollis gibts nicht. Hannes taut langsam auf und vorfreudig steigen wir die angebrachte Metalltreppe hinab. Entspannte 5 Euro Eintritt, dann auf den Dancefloor chillen. Abgehen ist was Anderes. Die Musik ist zu leise und die Leute zu laut. Also checken wir nochmal die anderen Revaler Läden ab. Im Cassiopeia kommt neuerdings immer so ein scheiß Dubstep und im Rosis ist heute Indiekram. Sonst nichts los. Also zurück zum Circus, erstmal aufs Klo Wasser trinken und Bomben schmeißen, dann dancen. Die Musik ist jetzt schonmal geiler. Ich geh nach vorne und der DJ erzählt mir, dass die Bullen "vor der Tür stehen" und er im Moment nicht lauter machen könne. Später vielleicht. Egal. Nice. 20 Minuten sind um und die erste Welle kommt. Augen zu, Kopf zur Seite und abheben. Geil man, das hab ich vermisst. Wir schieben uns ein Kaugummi zwischen die Zähne. Wrigleys Extra White. Ich panice voll rum, wegen dieser komischen Sandkörner in den Kaugummis, und heule, dass das mein Zahnschmelz sei. Eine Ewigkeit muss Hannes auf mich einreden, dass das doch dazugehört. Zahnplege und so.
Die Musik wird echt immer geiler und mittlerweile find ich auch die Mesnchen geil, die so geile Sachen in geilen Sprachen labern. Hannes ist auch schon gut dabei und ab halb drei haben wir beide die volle Breitseite. Wir gehen aufs Klo, Wasser trinken und jeder Schritt kommt soo leicht. "Ich schwebe" sagt Hannes, mehr zu sich selber, als zu mir. Mit Wonne gefüllt strahlen wir den ganzen Laden zu.
Das letzte mal nahmen wir MDMA beim Villaclosing, wo wir sehr viel mehr genommen haben und dieses schwummerige geile Gefühl noch extremer war, mir jedoch im Nachhinein auch kleine Depressionen bescherte. Damals sagte Hannes in völliger Druffheit "Weißt du Tony: LSD ist Futter für den Geist, doch MDMA ist Futter für die Seele." und ich ging in dieser formulierten Wahrheit auf, wie eine Blume in der Frühjahrssonne.
Wieder auf dem Dancefloor drängle ich mich unbewusst an einem kleineren Mädchen vorbei und sie muss mir etliche Male auf die Schulter hauen, bis ich sie wahrnehme und mich umdrehe. "Machst du das immer, dass du dich überall durchpöbelst und dich vor die Leute stellst?" Was? Hä? "Verzeihung." ist das einzige was ich in dieser Situation nuscheln kann. Ich komme voll nicht darauf klar und rufe ihr nach fünf Minuten zu: "Ey tut mir echt voll Leid man." Sie lächelt und weitere fünf Minuten später kommt sie zu mir und sagt: "Vielleicht mach ich aus solchen Kleinigkeiten manchmal zu große Sachen. Nimms mir nicht übel. Es war echt nicht schlimm." Ich nicke nur benommen, aber mein Herz jubiliert. Wie perfekt ist das denn? Oh mann.
Hannes keucht auf einmal und sagt: "Alter, ich komme gerade gar nicht mehr klar. Ich hol mal eine Club Mate." Dieser Szenedrink hat mir noch nie soo gut geschmeckt. Wir chillen uns auf eine Bank und Hannes atmet wieder durch. "Ah, das hab ich gebraucht." Sitzen ist echt sehr geil, auch wenn mein Kopf weitertanzt. Wir genießen die Zeit und der für unsere Trips typische Lobgesang auf das Leben und unsere Freundschaft beginnt. Alles ist geil, wir sind wunschlos glücklich, es ist so schön mit dem anderen hier zu sein, alles ist perfekt.
Dann wieder dancen. Die Musik ist so extrem geil und ich liebe die Lautstärke. Kurz unterhält sich Hannes mit so einem Typen, der einen ganzkörper Neoprenanzug anhat. Die Flasche geht verloren und ich kauf eine neue Mate. Wir dancen an der Bar. Alles geil. Dann wieder zu den Bänken. Ich stolpere über einen Stuhl und hätte mich fast mit der Mate voll auf die Fresse gelegt. Geil.
Die Wirkung ist gemütlich. Wir überlegen, ob wir noch ne Bombe nachwerfen, entscheiden uns dann aber dagegen. "Alter, für sowas ist die Fusion da!" Ok, mein Gott. Dann... dancen. Übergeil, auf einmal sehe ich auf der Tanze Axel und irgendein Mädchen, die ich beide noch am gleichen Tag an der Krummen Lanke getroffen habe. "Heeeey Axel, alles klar? Ist ja cool dich hier zu sehen." Wir umarmen uns und ich bin froh nicht mehr voll stralle zu sein. Nicht vor diesen alten Zehlendorfkindern. Auch wenn sie jetzt in Moabit wohnen und studieren, ist kiffen für sie noch die absolute Ausnahme und Grenze.
Hannes und ich dancen noch etwas, um halb sieben will er dann los. Ich schmatze und schlucke extrem, aber Zähneknirschen bleibt fast völlig aus. Guter Stoff.
Was für ein geiler entspannter Abend, man. Trotz des wenigen Geknirsches habe ich es, wie nach jedem Konsum, geschafft, mir im Schlaf auf die Zunge zu beißen. Diesmal aber nicht so doll.



Mittwoch, 15. Juni 2011
The Experience
Fusion 2010, kurz vor zwei. Hannes und ich sitzen völlig breit vorm Zelt.
Wir meckern wegen dieses Prolls, der uns für 15 Euro ein Zuckerstückchen verkauft hat, welches, außer mickrigen Lachflashs, keine wirkliche Wirkung zeigte. Da kommt um das nächste Zelt irgendein Hippie und fragt, ob wir ihm ein Blättchen geben können. „Sure come on“, während er seine Zigarette dreht, erfahren wir, dass er aus Schweden kommt und irgendwie durch die Wälder ins Festival eingebrochen ist. Er mustert uns, dann fragt er „You want LSD, ten euro per trip.“ Ich erzähle ihm, dass wir gerade ziemlich verarscht wurden, aber was soll er da machen. Ich vertraue diesem Hippie, der sich „Tree“ nennt und kaufe zwei Trips, um auch endlich mal diese Hippiedroge zu spüren. Wir heißen übrigens für diesen Moment Rain und River.
„You got someting where you can hold it? Like a weed bag?“ Wir haben keine mehr und geben ihm stattdessen die Packung mit den Filtern. Er witzelt noch rum und tut so, als würde man die Pappen nicht mehr wiederfinden können unter den ganzen Filtern. Danach verabschiedet er sich, wünscht uns Spaß und verzieht sich. „Looking for other jukies?“ lache ich. „Let's see“
Wir nehmen uns vor die Trips erst am Abend zu schmeißen. Kurz darauf taucht ein Junge auf und will uns einen Fünfer verkaufen, da wir unser Gras schon auf haben, kaufen wir auch diesen (es war weitaus mehr als ein Fünfer) und machen uns auf den Weg zu irgedeinem Platz um das Gras zu genießen. Ich verliere das Gras und schiebe derbe die Frustration. Wir besuchen eine Freundin und rauchen ihr Gras, was uns einfach mal voll den Flash gibt. Nachdem wir einen Canabisschnaps getrunken haben, haben wir alle Sorgen schon wieder vergessen und machen uns auf den Weg zurück zum Zelt, um uns für den Abend wärmere Sachen anzuziehen.
Wir kommen an diesem megageilen riesigen Strand vorbei und rauchen eine Zigarette zum Beat. Die Wolken verdichten sich, aber ich fühle mich wahnsinnig gut. Ich renne in die Mitte des Strandes unter den Turm. Hannes folgt mir widerwillig. Wir tanzen extrem und gehen barfuß auf diesem Techno ab wie zwei Irre. „Wollen wir die Trips jetzt schon nehmen?“ fragt Hannes. Ich willige lachend ein und wir legen uns je eine kleine bunte Pappe auf die Zunge.

Es beginnt zu regnen. Ohne dass wir es merken, kommen alle Tanzenden zu uns zu unter den Turm. Der Moment ist wie perfekt. Hannes ist schon wieder etwas angepisst, da es anscheinend nicht wirkt, als ich mein Kinn berühre und es sich völlig anders anfühlt. Weicher und angenehmer. Ich betaste es ganz vorsichtig, dann meine Wangen, den Rest meines Gesichtes, meinen Bauch und meinen ganzen Körper. Ich bemerke kaum wie Hannes sich einen ablacht und bin völlig in mich gekehrt. Hin und wieder geht ein Mädchen an mir vorbei und ich versuche eine möglichst unauffällige Berührung herbeizuführen. Ich will sie eigentlich umarmen. Alle die hier sind. Hannes geht ein Bier holen und ich tanze wieder extrem. Schon als wir da ankamen, lagen dort einige Scherben, aber es werden wohl immer mehr. Ich schiebe sie immer wieder alle an den Mast. Da kommt Hannes wieder und gibt mir mein Bier. Ich trinke und es schmeckt unglaublich gut, ich spüre jeden Schluck durch meinen Körper fließen, wie eine warme Dusche im Inneren. Ich stelle das Bier ab und betrachte längere Zeit einen Stein, den ich aufgehoben habe. Dann lege ich ihn ganz vorsichtig zu den Scherben und tanze wie ich noch nie getanzt habe mit dem ganzen Körper. Auf einmal lacht Hannes wieder und hebt mein ausgelaufenes Bier auf. Er bringt die Flaschen zurück und es geht richtig los. Die Musik kommt so intensiv und die Menschen scheinen nur noch über mich zu reden. Farben beginnen zu leuchten, zu blinken und sich zu ändern. Formen verschwimmen. Hannes kommt wieder und will weiter. Zusammen trippen wir von Dancefloor zu Dancefloor, Konzert zu Konzert. Es ist der Wahnsinn. Plötzlich kommt ein Mann mit blau weiß gestreiftem Shirt auf mich zu. Sein Shirt wirkt wie ein leuchtendes, nicht mehr zu seinem Körper gehörendes Objekt, was aus den bekannten Dimensionen hinausgeht. Ich drehe mich benommen nach ihm um „Alter“ lalle ich Hannes zu „siehst du auch das, was ich sehe?“ „Ich weiß gar nicht wie du noch darüber reden kannst.“ erwiedert er wie in Trance.
Ist das die Wirklichkeit? Ist das wirklich so krass? Sieht das hier alles so aus? Auf einmal habe ich drei Realitäten in meinem Kopf und kann beliebig hin und herspringen. Jeder Schritt ist ein Schritt in eine andere Ebene. Auf farbig leuchtende immer neu entstehende Felder treten mit neuen Eigenschaften und Wahrnemungen.
Hannes und ich taumeln zum nächsten Floor und tanzen wie Wahnsinnige. Es ist schon schlimm genug, dass sich viele mit märchenhaften Verkleidungen schmücken, aber auf einmal wimmelt es von Gnomen und Kobolden. Manche sprechen zu mir „Du siehst krass fertig aus“, „Na Süßer“, „Komm trink mal was“, andere gucken mich nur ganz ernst an. Meine Mutter ruft an. Sie hat auch mal LSD genommen, das weiß ich und erzähle es ohne Scham. Sie ist ein bisschen schokiert und sagt dann aber „okok, immer schöne Gedanken... alles schön lalala. Und viel Wasser trinken, ganz viel.“ Sie lacht etwas als sie hört, wie ich im Wahn zu Hannes rufe „Wir brauchen Wasser! Wasser! Kein Bier, Wasser!“ Artikulation übersteigt meine Fähigkeiten. Immer panischer suchen Hannes und ich nach dem Nass und fragen irgendwelche Elfen auf dem Weg. Niemand kann uns helfen. Wir vergessen, lassen uns wieder von der Musik mitreißen und tanzen, bis ich mich besinne und aufs neue „Wir brauchen Wasser!“ brülle. Auf einmal meint Hannes „Ey der Typ auf der Bank hat ne Flasche, frag ihn doch, ob er dir was gibt.“ Ob das ein Mann ist, weiß ich nicht. Für mich sehen sie aus wie zwei Feen und sie geben mir die Flasche nur zu gerne. Die männliche Fee hängt sie mir sogar mit einem Bändchen um den Hals. „Damit du sie nicht verlierst.“ sagt er und der Satz echot noch ewig in meinen Ohren.
Wir stolpern weiter durch die Gegend und trinken abwechselnd literweise Wasser. Immer weiter füllen wir die Flasche nach.
„Wir sind doch nicht die einzigen die hier trippen, oder“ fragt Hannes auf einmal und blickt suchend durch die Gegend. „Alle...“ fange ich an, kriege aber keinen Satz mehr hin.
Wir legen uns auf eine Wiese, genießen die kurze Pause und lauschen dem Wahnsinn. Musik kommt farbig von allen Seiten in unsere Ohren und auf unsere ganzen Körper. „Das sieht ja friedlich und schön aus wie ihr hier liegt.“ sagt eine Frau und ohne die Augen zu öffnen murmele ich „Leg dich doch dazu.“ Hannes lacht, aber ihre Antwort höre ich nicht mehr. Irgendwas mit Hasen und hoppeln.
„Das ist echt viel zu krass“ lache ich und das ist der Moment, in dem Hannes Panik bekommt und krampfhaft versucht klarzukommen. Wir gehen zum Zelt und setzen uns erst davor. Ein Schwarzer sitzt so zehn Meter entfernt und trommelt auf einer Conga. Die Schläge kommen wie in Wellen und auf einmal wird er immer größer und lauter. Ein riesiges blondes Mädchen kommt von hinten auf den Trommler zu, legt ihm die Arme um den Hals und verschmilzt mit ihm, wie siamesische Zwillinge. Um sie herum wird alles undeutlich und die Musik leise. Ich nehme nur noch das Trommeln wahr und die zwei Riesen, wie sie da zusammen hocken, verschmilzen und sich die Farben ihrer Klamotten zu einer ganzen, völlig neuen und unbeschreiblichen Farbe zusammenfügen.

Mir wird kalt und ich steige ins Zelt. Als ich drin bin geht es richtig ab. Die Wände werden größer und zu dem wieder hörbarem Beat bewegen sich Bilder. Die Wände wechseln die Farben und Muster und Figuren entstehen auf der mittlerweile riesigen Zelthalle. Meine Mutter ruft wieder an und sagt, „Das dauert noch ein paar Stunden. Versucht den Trip wenigstes zu genießen.“ So stürmen Hannes und ich berauscht wieder los. Diesmal habe ich gar keine Schuhe mehr an, weil ich den einen wohl vorher verloren habe. Als würde ich schweben, laufe ich trotz der mittlerweile großen Gefahr in eine Scherbe zu treten unachtsam über den Boden. Wir tanzen wieder und trinken unmengen Wasser. Die relativ regelmäßigen Pinkelpausen sind krass unangenehm.
Plötzlich wird ein Remix von Good Vibrations gespielt und ich gehe völlig auf. Ich unterhalte mich zum zehnten Mal an diesem Abend mit einer Frau. Ganz normaler Smalltalk. Zwischendurch unterhalte ich mich immer mit irgentwelchen Frauen, kann jedoch nie sagen, ob sie alt, jung, hässlich oder hübsch sind. Irgendwie sehen alle verdammt gut aus. Hannes zieht mich weiter und ein letztes Mal gehe ich zu der Frau und sage „Es war schön dich kennenzulernen.“ Sie wirkt verwirrt und nickt nur. Alles kommt mir so unwirklich vor.

Scheißkalt. Eigentlich wollte ich mir ja eine richtige Jeans anziehen, aber unser Zelt ist regendurchlässig und so ist alles nass geworden und ich bin weiterhin in Badehose, T-Shirt und Hoody unterwegs. Wir elen zur Dubstation, wo wir uns ans Feuer setzen können. Hannes geht voraus, da ich überhaupt keinen Plan mehr habe. Wir stellen uns ans Feuer, weil kein Platz mehr frei ist und während wir warten spricht mich wieder so ein Kobold an. Er sitzt ganz einsam auf der Wiese, wendet sich zu mir, prostetet mir zu und sagt grinsend „Ein wahnsinns Abend!“ Ich drehe mich wieder weg. Fassungslos von diesem ganzen Irrsinn setze mich an einen frei gewordenen Platz am Feuer. Intensivität kennt keine Grenzen.
Hinter mir scheinen zwei alte Hippies irgendeine Art von bekleidetem Kamasutra zu verüben und rechts neben mir sitzt ein tolles Mädchen mit dunklen Dreadlocks. Ich bin mir nicht sicher, ob sie gut aussieht und betrachte sie eingehend. „Entschuldgung“ spricht sie mich an „Wofür“ „Habe ich dir nicht gerade...“ „Nein.“ sie lächelt ein bisschen verlegen, als ich sie weiterhin so ungeniert anstarre. Selbst mir ist es unangenehm, aber was soll man machen? Auf einmal bin ich mir sicher, sie sieht verdammt gut aus. „Wie heißt du?“ „Ariane.“ Ich wiederhole den Namen und gucke zufrieden ins Feuer. Nach einer Weile frage ich „Bist du alleine hier?“ „Nein meine Freunde sind irgendwo dahinten.“ Mein Kopf ist so gefüllt mit Sex, oder auch nur Zärtlichkeit. Berührunen und vor allem Frohlocken. Ich kann kaum noch an was anderes denken, so dass ich sehr lange überlegen muss, bis ich die nächste Frage stelle. „Wo kommst du her?“ Ich bekomme es nicht mit, erzähle ihr aber auf ihre Frage, dass ich aus Berlin komme. „Ich zieh auch bald nach Berlin. Was machst du denn da?“ Tja was mache ich... gute Frage... „Ich studiere.“ „Verständlich. Und was?“ Ich erzähle oft irgendwelchen Leuten, die ich in Clubs oder so treffe, Scheiße und bin dann mal Philosphiestudent oder habe letztes Jahr meine Promovierung in Germanistik abgeschlossen, aber auf LSD ist lügen verdammt schwer. Ich stottere und suche nach etwas, was ich ganz fest in meinem Kopf habe. „Kreatives Schreiben.“ sie lächelt „Warum musstest du so lange überlegen?“ Ich kann nicht mehr, das muss aufhören. Ich hebe meinen Finger und öffne mehrmals meinen Mund, bis ich ein flüchtiges „Wie alt bist du?“ rausbringe. „19 und du?“ so hätte ich sie auch eingeschätzt. Das mag ich. Meine besten Erfahrungen hatte ich mit 19jährigen Mädchen. Ich verfalle ins Träumen, sage längere Zeit nichts. „Gehst du noch zur Schule?“ Ich nicke unsicher und muss immer öfter zu den stöhnenden Hippies rübergucken, die die krankesten Verrenkungen machen. Es sieht aus wie eine Art sexuellem Erlösungsritual, denke ich mir. „Das ist doch nicht schlimm.“ Wir reden noch ein bisschen über unwichtiges Zeug, dann sagt sie, ihr werde langsam zu heiß und sie setzt sich ein paar Reihen zurück. Ob sie wohl will, dass ich mich zu ihr setze? Während ich das überlege und sie psychomäßg mit aufgerissenen Augen anstarre und sie gezwungen lächelt, setzt sich ein Kobold neben sie und sie beginnt ein neues Gespräch. Schade... was solls, genieß ich halt noch meinen Trip ein bisschen. Das Feuer wird aber echt immer heißer und mich trifft die Glut immer regelmäßiger am Bein. So verabschiede ich mich von Ariane und sie wünscht mir noch „viel Spaß“. Hannes hat die ganze Zeit mit einem krass benebelten Typen über Wasser geredet. „Alter lass mal weitergehen“ sage ich und wir gehen zum Trancefloor, um noch mal richtig abzugehen. Für Zeit haben wir seit Beginn unseres Trips jegliches Gefühl verloren. „Mir ist arschkalt, ich muss in den Schlafsack...“ sage ich „... der nass ist.“ fügt Hannes grinsend dazu. Wir setzen uns auf dem Weg einfach nochmal auf den Boden und errörterten die verschiedenen Abspanne des Trips, der noch immer anhält, und in wie weit uns das verändern würde. Wir sind uns einig: Es ist einfach mal die krasseste Erfahrung ever. Eine spirituelle Reise zu aller Einsicht durch alle Welten.
Danach ist Hannes noch mal pinkeln und ich fülle die Flasche auf. Ängstlich steh ich auf der Stufe der Wasserarea. Ich brauche ungefähr eine Minute, um mich zu überwinden die 20 Zentimeter hohe Stufe hinabzusteigen. Gemeinsam schwanken wir zum Zelt und lassen den Trip im liegen auslaufen. Ein bisschen reden wir noch oder betrachten unsere Hände. Diese Sicherheit, die ich spüre ist unglaublich. Hier in meinen nassen Schlafsack gekuschelt, den Wahnsinn im Kopf und die Schönheit um mich rum trippe ich ganz langsam in den Schlaf.



Montag, 13. Juni 2011
Bluesnight
Donnerstag. Ludi kommt so um sieben an. Abgefuckte Jeans, mit Löchern, schwarze Lederjacke, komische Anarchoboots, kurze Stoppelhaare. Dazu so ein Militärrucksack und seine Gitarre. What the fuck ist das denn, denke ich mir. Egal, wir checken zu mir, machen uns übertrieben viel Nudeln, trinken meinen Absinth und zwei von seinen Whiskys auf, setzen uns in den Hinterhof und fangen an zu bluesen. Meine coolen Nachbarn kommen, so ein Italiener mit seiner australischen Freundin, Francesco und Claudia, und feiern mit uns und zwei von ihren Freunden auf Ludis Gitarren- und Gesangskünste. Ich bin mittlerweile so besoffen, dass ich es nicht mehr schaffe, auf diesem Klapptisch zu sitzen. Er geht zu Bruch und ich kuller ganz entspannt auf den Steinboden. Judoabrollen oder so. Die ersten Nachbarn stecken ihre Köpfe aus den Fenstern und erzählen, was sie morgen alles zu tun haben. Alles klar.
Ludi und ich entscheiden uns ins Yaam zu fahren. Auf zum Hackischen und weiter zum Ostbahnhof. Ludi labert mich die ganze Zeit mit Pseudodrogenscheiße voll und ich überlege schon ernsthaft, ihm seine scheiß Lederjacke vollzukotzen.
Das Yaam hat zu. Ok, Kurzstrecke zur Warschauer. Entspannte Menschen stehen vorm Casisopeia. Wir geben uns als Schweden aus und besorgen uns mit diesen zwei Überhängern was zu rauchen. Völlig breit entscheide ich dann, dass wir weitermüssen. Ludi hat kein Geld für einen Club und steht nicht auf Techno, also ziehen wir durch Friedrichshain. Kaufen uns Sternburger und sitzen dann wie die Penner auf einer Klappbank vor einem Klapptisch und lallen Bluessongs. Das restliche Gras verlier ich. Typisch.



Donnerstag, 9. Juni 2011
Nailed it
Yeah, geil. Keinen fucking Wirtschaftsausfall. Die alte glubbscht mich an und wie eine erregte Rentnerin lobt sie mein ach so extremes Bemühen. Nächstes Jahr werde sowieso alles viel besser. Und dann faselt sie von Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft, Arbeitslosen, Firmen, Gewinnen, Verlusten und so weiter. Ich höre schon gar nicht mehr hin.
Nächstes Jahr wird richtig geil, ich kann mir einfach mal alles erlauben, trotz dieses zweiten Ausfalls in Mathe... Ahh, nice...

Heute kommt Ludi der Blueser aus Cottbus zu Besuch und wir wollen neue Sachen aufnehmen. Morgen dann Karneval der Kulturen. Diese beschiessene Leidphase ist endlich vorbei und und ich kann mich auf wichtige Sachen konzentrieren.
Jetzt erstmal Blunt, Baby!



Dienstag, 7. Juni 2011
Suche nach Muße
Die Sonne scheint gradios in mein Mitte. Schule wird erfolgreich ignoriert. Leben in Freiheit, ohne Vorhaben und Termine, nur mit Kaffee, Buch und Zigaretten. Genuß nimmt wieder greifbare Formen an.
Das Buch, was ich lese gibt mir einen Schub Lebensfreude und zieht mich aus dem gehetzten Alltag raus. "muße" von Ulrich Schnabel klärt mich auf und zeigt mir, wie ich mir das Leben einfacher machen kann. Oder vielmehr bestärkt es mich in meiner Annahme, und hat mich auf den Gedanken gebracht in meinem "Lebensdschungel" wieder mehr Freiraum zu schaffen.

Mein Leben ist zu durchgeplant. Von heute bis in zehn Jahren ungefähr steht alles ziemlich fest. Abi, reisen, jobben, studieren, reisen, jobben, schreiben, schreiben, schreiben... so in etwa. Das ganze wird bestimmt aufregend und interessant und so. Aber die ganze Spontanität, die mich früher so sehr ausgemacht hat, habe ich verloren. Täglich mit irgendwelchen Frauen treffen, Freundschaften pflegen, Schule "managen" und am allerschlimmsten "online sein".
Ich habe es nun beschlossen, mich ganz langsam von einer mir bis jetzt nicht bewussten Onlinesucht, zu entfernen. Mit dem Rauchen aufhören klappt ja auch immer, wenn ich will. Wenigstens für ein paar Tage.
Den Laptop werde ich nicht mehr als dreimal am Tag öffnen, viel in in Cafes sitzen und lesen (scheiß auf meinen Geiz - ich kanns mir echt gönnen/leisten), überhaupt mehr Zeit alleine verbringen, wieder eine normale Sprache bekommen und nicht alle Sätze so eklig lang durchzustrukturieren, überhaupt mehr genießen. Nur noch entspannte Sachen tragen: Beiges Leinenzeug, englische Flip Flops, H&M Sonnenbrille.

Was mir sehr hilft mich selbst zu finden, ist das Bloggen. Meinem verfluchten Mitteilungswahn reicht das rein private Tagebuch- und Gedichteschreiben nicht. Er will Kommentare. Aber bedeutet das nicht wieder neuen Informationsfluss und gezwungener Maßen neuen Stress?
Airens Bücher haben mich so beeindruckt, dass ich "infiziert" war und das auch mach wollte. Nur ist mein Leben vielleicht doch noch nicht spannend genug dafür.

naja Akku ist demnächst alle, der nächste Kaffee ist unterwgs...

So long.



Sonntag, 5. Juni 2011
Der gute Kult
Es ist irgendwie schade, dass kiffen, ab einem bestimmten Alter den guten Kultstatus verliert. Früher zelebrierten wir das Kiffen noch. Der Akt war krasser für uns. Wir kauften Gras setzten uns auf eine Wiese oder in einen Keller, hörten wahlweise Techno oder Hippiezeug und ließen uns völlig auf das kommende Abenteuer ein. Nach mehreren Versuchen einen Joint zu bauen, hatten wir dann einen und betrachteten ihn stolz bevor wir uns hustend in diese interessantere Welt schickten. Lachend, sehend, fühlend.
Wir kifften, um zu kiffen und nicht um zu feiern. Es war eine ganz eigene Beschäftigung und wir konzentrierten uns nur auf uns und die Wirkung. Wir lachten, redeten Scheiße, tanzten zu leiser Musik in der Gegend rum, fielen hin, spielten irgendwelche komischen Spiele. Eine schöne Zeit war das.

Heute ist kiffen wie saufen. Irgendjemand hat es, man raucht es, man feiert. Dazu mischen sich dann MDMA, Speed oder Mephedron. Es verliert diese ruhige Basis. Das Einsichgebene gibt es nicht mehr und es wird auch nicht mehr gesucht.
Nicht von Gras jedenfalls.

Eine Ausnahme bildet hier nur mein Urkumpel Hannes.
Letzes Jahr hat er angebaut. Durbon Poison.
Ich schenkte ihm eine Bong und es ging los. Wir kifften wieder alleine in seinem Keller. Viel und gut. Das Kiffen nahm krassere teilweise halluzigene Ausmaße an. Die Gespräche blieben aus, die Musik kam krasser, wir tanzten, das Herz raßte und auf einmal hatten wir die krassesten Lachflashs. Extremer als jemals, fast beängstigend.

Das alles ist zu krass, um es zu oft zu machen und auch wenn mich Hannes andauernd einladen will, habe ich irgendwie eine Hemmgrenze in mir erreicht. Abgeschlossen. Ich will wieder LSD nehmen und echt möglichst viele Erfahrungen sammeln. Es gibt Drogen, vor denen ich zwar erst zurückschrecke, sie mir aber dann doch nicht entgehen lassen kann. Der gute Kult ist zuende und wurde von den großen harten Brüdern abgelöst.
Vielleicht sollte ich mal wieder zurückreisen, nur für einen Tag.



Mittwoch, 1. Juni 2011
Wie im Dschungel
Es sind schon Jahre vergangen, dass ich diesen Arzt besucht habe. Man könnte ihn im Grunde eine Kindheitserinnerung nennen. Aber doch, cooler Typ.

Die Worte Nerv und Stress spielen in meinem Leben, seit diesem Jahr eine größere Rolle. Ja ich benutze sie auch öfter. Das Wirtschaftsbootcamp raubt mir die Möglichkeit und wahrscheinlich auch die Fähigkeit mein Leben und mein Glück in vollen Zügen zu genießen. Gestresst und genervt hocke ich in meiner Wohnung, mit der ich durch allgemein wachsende Unzufriedenheit auch nicht mehr so glücklich bin, und gucke mir meine beschissene Raufasertapete an, um bewusst nichts zu tun. Denn alles was ich für "es" tue, frustriert mich. Mir fehlt Gelassenheit und auch Konzentation.
Mein Deutschlehrer, ein intellektueller Germanist mit einem für mich etwas zu krassen Hang an Katholizismus, ist der einzige der aus der verschleimten Anzugwelt heraussticht. Er versteht mich.
In dieser Welt bin ich ein Außenseiter und quäle mich. Alle wissen es, alle gucken zu.
Das einzige, erzähle ich dem Arzt mit einem leisen Lächeln, was mir vielleicht gut tut, ist das meine Tolleranz "bzgl." rechter Ärsche gestärkt wird. Gezwungender Maßen.
Ich bin zu ihm gekommen, weil ich nicht mehr kann. Jedenfalls nicht mehr richtig. Das mit noch nicht mal 19. Homäopathen können da vielleicht helfen.
"Wie im Dschungel", sagt er, wenn ich ihn frage, wie ich früher war. In meiner ganz eigenen Welt habe ich gelebt und habe meinen Platz gesucht. Aha, hat ich also nicht so viel getan bei mir in den letzten zehn Jahren.

Sobald ich nicht mehr gut drauf bin, fangen meine Sätze an, kein Ende mehr zu nehmen und keinen Anfang mehr zu haben. Der Pepp geht verloren und Spaß und Flow ziehen sich zu einem leicht verzwifelten Selbstmitleidsgesülze zusammen. Ich kanns nicht ändern. Alles war mal besser... aber auch mal schlechter...
Ich durchstreiche zeittötend fremde Blogs und lese viel Leid und Schmerz. Es wiederholt sich alles. Alles.
Oft ist es mir zu verdrogt. Zu abgefuckt.
Ach ich freu mich auf die Fusion!



Montag, 30. Mai 2011
Volles Programm
Es ist Samstag. Der Abend ist halbwegs verplant. Die süße Maria wird 23 und darum ist „Reinfeiern für Arme“ im Volkspark. Ich war da noch nie und sehe, dass der von mir easy in einer virtel Stunde zu Fuß zu erreichen ist. Hank hatte mir noch irgendwas von nem Maskenball in der UDK erzählt, egal erstmal meinen neuen Szenelook aufgesetzt und losgesteppt. Halb zehn, im Supermarkt hat nur eine Kasse geöffnet, und die ewige Schlange lässt mich nach ein paar Minuten Wartens die Flaschen fluchend ins Süßigkeitenfach stellen und aus dem Laden stürmen. Die haben eh genug Bier, sag ich mir, aber mein Gewissen macht mich noch so fertig, dass ich, nachdem ich ein Desperados von der Tanke getrunken habe, dann noch extra für Cash zur Bank gehe und ein viel zu teures Sixpack Becks bei sonem Dönerladen vorm Park kaufe. Zwei prollig wirkende Rentner auf den Stühlen vorm Dönerladen erklären mir biertrinkend und polnische Zigaretten rauchend den Weg zu den Vollyballplätzen auf der anderen Seite des Volkparks. Bedankend ziehe ich los, frage unterwegs noch ungefähr zehn andere nach den Vollyballplätzen und halb elf erreiche ich dann doch noch die Meute. Die Wiese ist extrem überfüllt. Gegrillt, gesoffen, gekifft, alles. Kaum komme ich an hält Hank mir einen Joint hin. „Krasse Verkleidung!“ begrüße ich ihn. Er trägt einen Sergent Peper Anzug, einen Zylinder und auf diesem eine Schweißerbrille. „Ja man, später noch Zinnober Party in der UDK. Biste dabei?“ Ich nicke und gebe ihm den Joint wieder. Nachdem ich mir eins von meinen Becksen geholt habe ist erstmal Begrüßungsrunde. OK alle da, ich geh rüber dancen. Kumpels von Maria legen mit relativ guten Boxen Hardcore Techno auf. Ist eigentlicht nicht so meins, aber nach dem dritten Bier und dem zweiten Joint geht das klar. Außerdem kommt später noch Hannes und legt geiles Zeug auf. Da begrüßt mich Maria mit ihrem wahnsinnsinigen Honiglächeln. Ihr Freund sitzt da vorne und „flirtet mit den Mädchen“ sagt sie schmuzelnd. Ich grinse zurück und sage „dann solltest du das auch tun.“ Da wird sie aber schon weitergezogen. Ich gehe wieder tanzen und lerne neue Leute kennen. Krass besoffenes Mädchen torkelt da vorne. Sieht nicht schlecht aus, aber ab einem bestimmten Pegel sagt mein Stolz „nein“, glaube ich. Ein Mongole namens Manday macht ein Tanzduell mit mir, als kurz so 70th trash gespielt wird. Der Typ geht ziemlich ab und ich hab irgenwann keinen Bock mehr. Mehr saufen. Manday, Hank und ich dancen wieder und auf einmal kommt Schnulzkram. Bubke und Kitty tanzen Arm in Arm. Ich erkenne sie nicht. Wir drei umarmen sie auch und ich frag Bubke, während die beiden Mädchen nach Freiheit ringen „Wer bist du denn?“, bekomme einen bösen Blick und ein scharfes „Du kennst mich, Tony.“ Auf den Schock entschuldige ich mich lachend und geh das letzte Becks trinken. Ich zeige auf das besoffende Mädchen und sage zu Janine „Die holt sich heute noch jemand. Leichter Fang.“ „Na dann los.“ lacht sie und ich schüttel den Kopf „Nee echt nicht. Zu zu.“ „Ach wetten das stimmt überhaupt nicht?“ Was meint sie wohl, frage ich mich, wette aber mit.
Es ist kurz vor Zwölf. Das besoffende Mädchen torkelt mich an und wir beginnen uns wild zu küssen. Naja Wette ist Wette. Außerdem bin ich schon ein bisschen aufgegeilt. Wir beginnen uns anzufassen und ich frage, ob sie mit zu mir will „Nur zehn Minuten von hier.“ Sie will nicht, ich soll mit zu ihr. Sie wohnt irgendwie Hellersdorf, oder so. Nee man, echt kein Nerv. „Wir können auch einfach hierbleiben“ sage ich. Sie lacht „Hier? Hast du ein Kondon?“ Klar hab ich eins, kaum hab ich es ihr gezeigt, zerrt sie mich mit sich. Von Hinten kommt ein Typ, den ich nicht kenne und ruft: „Ey wartet mal! Wie heißt sie?“ „Vivien“ erinnere ich mich, sie weiß auch noch meinen Namen und nachdem sie ihn überzeugt hat, dass alles ok ist, sagt er „Das dein Leben.“ und zieht ab. Sie geht nochmal an einen Busch und pinkelt, hat nichts zum Abputzen. Den ersten Moment des Ekels verdränge ich und ficke sie in anderen Büschen. (Dieses Wort versuche ich stets zu meiden, aber für diese Situation wäre jede andere Bezeichnung zu positiv.) Ein Typ kommt, pinkelt fünf Meter neben uns und sagt „Wälzt euch nicht zu sehr in der Pisse.“ Ich muss extremst lachen, sie hat es gar nicht mitgekriegt. Nachdem wir beide gekommen sind kommt irgendein Junge von der Seite und ruft als er uns sieht halb geschockt „Wie krass!“ Mir egal, ich zieh die Hose hoch helfe ihr auf, torkle mit ihr zurück zur Party und versuche sie so schnell wie möglich loszuwerden. Voll assi, eigentlich ist das überhaupt nicht mein Stil und ich schäme mich ein bisschen für mein Verhalten. Egal, gut dass die keiner von meinen Freunden kennt. Ich merke mir ihren Namen und verspreche, sie auf Facebook zu suchen.
Fünf nach Zwölf. Hab Marias Moment verpasst. Egal, sie freut sich trotzdem, besonders als ich erzähle, dass ich ihr ein Geschenk aus Peking mitgebracht habe. „Das geb ich dir aber erst, wenn wir uns mal so treffen, sonst verlierst du es noch.“ sage ich. Hannes ist da und legt geilen Elektro-Swing auf. „Ey lass mal gleich losgehen.“ lallt Hank „Allzeit bereit.“, „Markus baut gerade, danach los“ fügt er hinzu. „Aber lass erstnoch zu mir gehen. Verkleidung und so. Außerdem hab ich noch deinen Mantel.“ „Geht klar“ Ich renne mit dem Joint kurz zu Hannes, damit er mitraucht.
Danach ziehen Hank und ich los, irren wieder ein bisschen rum und sind dann bei mir.
Er zieht seinen Mantel an und ich Zirkusdirektoranzug. Ich tu mir noch etwas Wachs in die Haare, eine von seinen venizianischen Masken aufgesetzt und los.

S-Bahn kommt ewig nicht. Egal. Besoffen und verkleidet sitzen wir auf der Bank und schimpfen über die BVG. Alle gucken uns an, wie Freaks. So um zwei sind wir an der UDK. Bindy und ihr Freund sind auch da. Geil. Erstmal Leitungswasser auf dem Klo dann Rumcola klarmachen. Die krasstesten Kostüme laufen hier rum. So ziemlich alles: Mülltonne, Satzzeichen, halbnackter Römer, ganz nackter Freak, Dominas, Napolon um nur einige zu nennen. Kaum bin ich auf der Tanzfläche spreche ich ein Mädchen an. Mit Maske sieht sie ziemlich nice aus. Sie gibt mir ihren Facebooknamen und ich geh zu meinen Leuten zurück. Da sehe ich ein wahnsig schönes Mädchen, welche als Mann verkleidet auf den Floor kommt. Sie lächelt mich an, ich lächele zurück und berühre ihre Nase. Wir ziehen auf den nächsten Floor. Fetterer Elektro. Ich tanze ziemlich extrem und geh mir dann ein Club Mate holen, um wieder etwas klarzukommen. Wir stehen in der Mitte des Hauptraums, da ist wieder das tolle Mädchen und macht verlegen lächelnd einen Knix. Bevor ich mir überlegen kann, ob ich sie ansprechen soll, wird sie weitergezogen. Hank, Bindy, Schön und ich ziehen in den Garten um und trinken Hanks Whyskyflasche auf und ich beschließe dieses tolle Mädchen unbedingt kennenzulernen. Wahrscheinlich ist es so kurz nach vier... ich frage seit einer Woche wieder jemanden nach einer Zigarette, bekomme keine und bin noch zufriedener. Ach was ein geiler Abend, denke ich mir und bestimme wieder reinzugehen.
Kaum bin ich im UDK Gebäude, seh ich das tolle Mädchen mit dem provisorisch aufgemalten Schnurrbart, der Melone auf dem Kopf, den kurzen Haaren, dem Anzug und dem aufgelegtem Maskara.
Ich lasse meine Freunde weiterziehen und halte sie fest: „Wie heißt du? Ich muss dich unbedingt kennenlernen!“ Sie lacht und sagt mit süßem österreichischem Akzent „Stehst etwa auf Männer?“ Wir reden etwas und ich erzähle ihr (was ungewöhnlich für mich ist, wenn ich Clubbekanntschaften mache) die volle Wahrheit. Sie heißt Tanja und ist glaub ich 22. Sie will mir ihre Nummer erst nicht geben, weil sie sagt, man erspare sich vieles, wenn man sich nicht wiedersieht. „Schade, dass du so denkst.“ sage ich, wissend, dass sich das doch ändern lässt. Dann gibt sie mir tatsächlich ihre Nummer und ich bringe sie zur U Bahn Zoologischer Garten. Ein wahnsinnig interessantes Mädchen. An der U-Bahn reden wir noch bis meine Leute kommen, verabschieden uns und wir trudeln zu Maces. Schön hat einen Gutschein für 40 Chickennuggets. Ich werde allgemein, als der „Stecher“ erklärt und fahre so um halb sieben schon wieder fast nüchtern aber glücklich nach Hause.



Donnerstag, 26. Mai 2011
Wirtschaftsficker
Zwei Monate ist es nun her, dass ich aus dem trauten Heim Charlottenburg nach Mitte an den Rosenthaler Platz gezogen bin. Alleine. Das heißt komischer Weise gar nicht: mehr clubben und mehr Drogen. Schule ist immer noch da. Wie ein spröder Balken vorm wahren Leben.
Heute habe ich die letze Klausur geschrieben.
Wirtschaft fickt mein Gehirn. Ich habe nicht nur kein Verständnis für diesen ganzen Scheiß, noch viel weniger habe ich dafür Verständnis, dass andere Verständnis dafür haben. Eine unmoralische Flachwichsergesellschaft, die denkt mit behinderten Abkürzungen mehr Farbe und Spaß in ihr vor Schleim triefendes Dasein zu bringen. Mich nicht damit identifizieren zu können, ist eine eine Untertreibung "sondergleichen". Ich gehe in den Unterricht setze mich hin und jede Sekunde stirbt ein Stück Glaube an das Gute im Menschen.

Schon seit längerem spiele mit dem Gedanken Klasse 12 zu wiederholen und Wirtschaft nicht als Leistungskurs nehmen zu müssen. Ja es überhaupt nicht nehmen zu müssen und nächstes Jahr dann die Schule zu wechseln für ein letztes Jahr Schule an einem Ort wo ich hingehöre, mit Leuten, mit denen ich mich verstehe. Nie wieder Wirtschaft. Eine Möglichkeit, die zwar schön klingt, mich aber ein Jahr Schule mehr kosten würde. Ist es mir das Wert?

Heute erstmal saufen.